Vom Blumenkohl schälen und Butter massieren

Als ich letztes Jahr im Mai die köstliche Butter auf frisch gebackenem Brot im Schwarzen Adler gegessen hatte, wars um mich geschehen. Und jetzt weiß ich auch warum! Sie wird stundenlang liebevoll massiert! Aber jetzt der Reihe nach:

Ein bisschen Bammel hatte ich ja schon auf dem Weg nach Kraftshof. Würde ich mich blamieren? Steh ich bloß im Weg rum? Darf ich überhaupt schon was machen? Alle meine Bedenken waren in den ersten fünf Minuten wie ausgelöscht. Ich wurde herzlich begrüßt und nach oben in die Umkleide geführt. "Ich hab dir das Bügeleisen schon eingeschaltet. Jeder bügelt seine Schürze bei uns selber!" Kein Problem, fang ich halt mit Bügeln an... Wieder unten angekommen, hat mich Basti gleich mal durch die Küche geführt. Und mir meinen ersten Job verpasst: Blumenkohl "schälen" - mit dem Sparschäler werden praktisch winzig kleine Röschen abgeschält, anschließend mit den Händen gerebelt, blanchiert, gesalzen und mit Essig und Öl abgeschmeckt. "Das wird Blumenkohl-Couscous", klärt mich Basti auf. Der wird als eine der sechs Texturen vom Blumenkohl zur in Butter gebratenen Jakobsmuschel gereicht. (Das wäre heute übrigens genau meins gewesen!) Auf diese Weise wird fast alles verarbeitet und es entsteht so wenig Abfall wie möglich. Wie praktisch!

Jakobsmuschel, bei 52°C SV temperiert, in Butter gebraten.
Blumenkohl auf sechs Arten: gebraten, als Püree, als Eis, der Strunk roh
in feinste Scheiben geschnitten, als Couscous und als Asche.

Dann wurde ich weitergereicht zu Judith. Sie hat den Posten des Gardemangers, ist also für die Vorspeisen zuständig. Mit ihren 21 Jahren ist sie ganz schön auf Zack und sie lehrt mich die hohe Kunst der Buttermassage. Die wurde heute auf 45 kg feinster Sahne hergestellt und muss nun Stück für Stück so lange geknetet werden, bis alles Wasser draußen und die Konsistenz wolkenweich und fast schon cremig ist. Erst dann wird ein Hauch feinstes Himalayasalz untergeknetet und die Butter in 500g-Stücke verpackt in die Kühlung gebracht. Ich kann euch nur raten, falls ihr mal in den Genuss kommen solltet: esst die Butter bitte mit dem nötigen Respekt!

Das ist die Butterausbeute aus 45 Kilo Sahne!

Übrigens wird nicht nur die Butter selbst gemacht. Creme fraiche, Buttermilch, natürlich die Fonds und alles für das Mise en Place wird von Hand, frisch und ohne Hilfsmittel zubereitet. "Das kostet zwar eine Menge Zeit, aber der Geschmack rechtfertigt den Aufwand", meint Basti. Nebenbei macht er Maultaschen mit Entenfüllung. Auch in diesem Fall wird darauf geachtet, möglichst alles zu verwenden. Leber und Niere und das gewolfte Entenfleisch gehören dazu.

Um 17 Uhr gibt es Käsespätzle für alle und ich sitz mittendrin. Und das Dressing für den Salat durfte ich schon ganz alleine machen.
Kääääsespätzle! Keine Ahnung, für wie viele Personen das reichen soll. 

Als die ersten Gäste eintreffen, darf ich Judith auf ihrem Posten assistieren. Ich bemühe mich, so wenig wie möglich zu stören und kann sie zumindest ein wenig unterstützen. Jetzt bekomme ich endlich auch die "heiße Phase" mit. Es geht erstaunlich ruhig zu in der Küche des Schwarzen Adlers. Kurze, knappe Anweisungen kommen von René, dem Chef. Es weiß ohnehin jeder, was zu tun ist. René ist sehr kritisch, kein Teller geht über den Pass ohne seine Kontrolle! Ein Gang nach dem anderen wird geschickt und jeder Gang sieht einfach genial aus. Den ersten Gästen darf ich das Amuse Bouche servieren.

Amuse Bouche: Gazpacho-Sorbet auf Brotöl mit Wildkräutern

Der große Vorteil für eine Praktikantin ist, dass man alles probieren darf und einem jeder (noch) geduldig Auskunft erteilt, selbst wenn man Löcher in den Bauch fragt. Und sogar die Rezepte durfte ich mir abkucken. Lenni, die rechte Hand des Chefs, macht das Dessert für die letzen Gäste und verrät mir ein paar Kniffe, die ich ganz sicher schon bald umsetzten werde. Ich bin infiziert. Mein nächstes Dessert wird ein Knaller.

"Winter"-Dessert: Pomelosegmente in Mandarine und Zitrone mariniert,
Mandarinengel, Honigkuchen, Schokosorbet, Glühweinzabaione, Baiser und Schokocrunch mit Meersalz. 

Um 23 Uhr spüre ich das erste mal, dass meine Füße schmerzen. Und da ich beim Putzen dann wirklich im Weg bin, sag ich:

"Tschüß, bis morgen!"

Kommentare

  1. Liebe Sivi, was für eine Erfahrung! Ich freue mich so sehr, hier quasi live mit dabei sein zu können, bekomme Gänsehaut beim Lesen. Ich wünsche dir eine super Woche, halte durch und erfreue uns weiter mit deinem Tagebuch.

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  2. Sehr beeindruckend! Kannst du bei Gelegenheit mal was zum Brotöl sagen?

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